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Bozzini, Philipp

Entdecker der Endoskopie durch die Erfindung seines „Lichtleiters“.

Philipp Bozzini

Philipp Bozzini
Selbstporträt (Original verschollen).

© Institut für Stadtgeschichte (Sign. S7P Nr. 1637) / Historisches Museum (Inv.-Nr. C18196), Ffm.
Bozzini, Philipp. Dr. med. Arzt. * 25.5.1773 Mainz, Diese Angaben konnten anhand von Dokumenten zweifelsfrei bestätigt werden.† 4.4.1809 Ffm.
Sohn des aus Italien eingewanderten Kaufmanns Nicolaus Maria B. de Bozza, der sich als Teilhaber einer Seidenfabrik in Mainz niedergelassen und 1772 die Ffterin Anna Maria Florentin de Cravatta geheiratet hatte.
Studium der Medizin an den Universitäten in Mainz, u. a. bei Samuel Thomas Soemmerring, und (seit 1794) in Jena, u. a. bei Christian Gottfried Gruner und Christoph Wilhelm Hufeland. 1796 Promotion, Ernennung zum außerordentlichen Assessor der Medizinischen Fakultät und Niederlassung als praktischer Arzt in Mainz. Weiterbildung auf Reisen in Frankreich und den Niederlanden. Einsatz im Zweiten Koalitionskrieg als Feldarzt der kaiserlichen Armee, u. a. als Leiter eines Lazaretts in Mainz. Angesichts der französischen Besatzung wollte B. 1802 seine Vaterstadt verlassen und nach Ffm. übersiedeln, zumal er aufgrund der Herkunft seiner Mutter aus Ffm. hier noch Verwandte hatte. Rat und Sanitätsamt der Stadt Ffm. lehnten B.s Gesuch um Aufnahme als Bürger und Arzt aufgrund von seinem relativ geringen Vermögen und Einkommen zunächst ab, obwohl sich der Reichsfeldmarschall Erzherzog Karl von Österreich, unter dem B. im Zweiten Koalitionskrieg gedient hatte, und B.s Freund Friedrich Siegmund Feyerlein für ihn einsetzten. Am 10.5.1803 erreichte B. seine Rezeption als Bürger und praktischer Arzt in Ffm. Seine Praxis ging zwar nur mäßig, doch erwarb sich B. als Arzt das Vertrauen Dalbergs, auf dessen Fürsprache er am 19.5.1808 zum Physicus extraordinarius ernannt wurde. Es wurde gemutmaßt, dass er diese Stelle nur bekommen habe, weil er als Katholik und nicht als Arzt von Dalberg bevorzugt worden sei. In seiner Position als Landphysikus kümmerte sich B. unermüdlich um seine Patienten. Während einer Typhus-Epidemie 1809 rettete er 42 Erkrankte, ehe er sich selbst mit der Seuche infizierte und ihr erlag.
Neben seiner Praxis befasste sich B. mit wissenschaftlichen Studien und Forschungen, u. a. hinterließ er Schriften über die künstliche Ernährung von Säuglingen, die häutige Bräune (Preisschrift für die Pariser Akademie; unvollendet), einen Repositor für den Nabelschnurvorfall und die Konstruktion eines Flugapparats sowie Materialien für eine historisch-physikalische Beschreibung der zu Ffm. gehörenden Dorfschaften.
Wichtigstes Ergebnis seiner vielseitigen Forschungstätigkeit jedoch war die Erfindung des „Lichtleiters“, eines Vorläufers des Endoskops. 1804 führte B. dieses Instrument, das innere Höhlen des lebenden menschlichen Körpers dem Auge sichtbar machte und zunächst vor allem in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde sowie der Gynäkologie, Urologie und Proktologie Anwendung finden sollte, in Ffm. erstmals der Öffentlichkeit vor. Am 7.2.1805 kündigte er seine (verbesserte) Erfindung im „Kaiserlich privilegirten Reichs-Anzeiger“ an. Bald prophezeite er: „Der Nutzen des Lichtleiters ist so allgemein, daß er auf jeden Theil der Heilkunde mittelbar oder unmittelbar den bedeutendsten Einfluß haben muß.“ Von Anfang an dachte der Erfinder daran, den Lichtleiter so zu entwickeln, dass Eingriffe über die natürlichen Körperwege (endoskopische Operationen) möglich würden. 1806 lobte Professor Ludwig Friedrich Froriep aus Halle B.s Untersuchungsapparat, den er in seiner geburtshilflichen Klinik erprobt hatte. Im selben Jahr stellte B. selbst den „Lichtleiter, eine Erfindung zur Anschauung innerer Theile und Krankheiten (...)“ in Hufelands „Journal der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst“ vor. In wissenschaftlichen Demonstrationen zur Anwendung des Instruments, die im Roten Haus in Ffm. stattfanden, wirkte er ebenfalls überzeugend. 1807 schließlich erörterte er den Apparat ausführlich in der Monographie „Der Lichtleiter oder Beschreibung einer einfachen Vorrichtung und ihrer Anwendung zur Erleuchtung innerer Höhlen und Zwischenräume des lebenden animalischen Körpers“. Trotz der günstigen Untersuchungsergebnisse wurde B.s Erfindung bald angezweifelt. B. hatte Erzherzog Karl eine Beschreibung des Lichtleiters nach Wien geschickt (18.6.1805). Auf Vermittlung des Erzherzogs ließ der Kaiser einen solchen Apparat von B. ankaufen und von der Josephs-Akademie wie der Medizinischen Fakultät prüfen. Die Josephs-Akademie lobte B.s „genialische Kunsterfindung“, doch die Fakultät als die eigentlich maßgebende wissenschaftliche Stelle im deutschen Raum tat – wohl auch infolge von Intrigen gegen B. – den Lichtleiter als „bloßes Spielwerk“ ab. Das war für B. ein vernichtendes Urteil. Er veröffentlichte zwar eine Gegenschrift („Ueber die den Gelehrten Oesterreichs und des Auslandes von der medicinischen Facultät zu Wien gemachten Bemerkungen über meinen Lichtleiter“, Allgemeiner Anzeiger der Deutschen vom 28.3.1807), aber ihm blieb die Anerkennung durch die Zeitgenossen versagt. Immerhin war es B. mit seiner Erfindung gelungen, eine internationale Diskussion in Fachkreisen anzuregen. Doch geriet er selbst, auch durch seinen frühen Tod, lange in Vergessenheit. Erst nach Jahrzehnten wusste die Nachwelt B.s Verdienste zu würdigen. Der Laryngologe Morell Mackenzie, der u. a. Kaiser Friedrich III. behandelte, führte die Entwicklung des Kehlkopfspiegels erstmals auf B.s Lichtleiter zurück („On the use of the laryngoscope in the diseases of the throat“, 1865). Heute gilt B. als der eigentliche Entdecker der Endoskopie, ohne die auf allen Gebieten der Medizin die moderne Diagnostik und Operationstechnik undenkbar wären.
Selbstporträt (Original verschollen).
Epitaph mit von Feyerlein verfasster Inschrift auf dem Domkirchhof an der nördlichen Außenmauer des Domchors neben dem Eingang zur alten Sakristei (wiederentdeckt 1954/55, restauriert 2006).
Das Original des Lichtleiters, das B. 1806 nach Wien verkaufte, ist seit 2002 im Josephinum (Institut für Geschichte der Medizin der Medizinischen Universität) in Wien ausgestellt.

Artikel aus: Frankfurter Biographie 1 (1994), S. 95f., verfasst von: Sabine Hock (überarbeitete Onlinefassung für das Frankfurter Personenlexikon von Sabine Hock).

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Internet: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_BozziniWikipedia, 26.6.2014.

GND: 119255111 (Eintrag der Deutschen Nationalbibliothek).
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Empfohlene Zitierweise: Hock, Sabine: Bozzini, Philipp. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe), https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1848

Stand des Artikels: 9.9.2014
Erstmals erschienen in Monatslieferung: 09.2014.