Neuerscheinungen vom 10. April 2023

Einleitung: 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

geht es Ihnen auch so? Die Tage sind so gut gefüllt, dass die Zeit eilt. Gerade hat doch das Jahr erst angefangen, denke ich, und dabei starten wir mit der diesmaligen Artikellieferung des Frankfurter Personenlexikons schon ins zweite Quartal. Der aktuelle Artikel des Monats widmet sich einem bedeutenden Vertreter der Frankfurter Literaturszene jüngster Zeit, dem Büchnerpreisträger Wilhelm Genazino. Der Beitrag erscheint im Nachklang zu Genazinos 80. Geburtstag im Januar und im Vorausblick auf dessen fünften Todestag im Dezember des Jahres.

Artikel des Monats April 2023:
Frankfurter Flaneur

Er gilt als Erfinder des bundesdeutschen Angestellten-Romans: Wilhelm Genazino. Nach dem Abbruch des Gymnasiums war der gebürtige Mannheimer bald zur Zeitung gekommen. Als Redakteur arbeitete er seit 1969 bei dem Frankfurter Satiremagazin „Pardon“. Ab Anfang der 1970er Jahre dann lebte er als freier Journalist und Autor in Frankfurt. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm mit der ab 1977 erschienenen „Abschaffel“-Trilogie, die das Leben eines mittleren Angestellten in einer Spedition schildert. Erst mit fast 40 Jahren holte Genazino 1982 das Abitur nach. Anschließend studierte er Germanistik, Philosophie und Soziologie an der Frankfurter Universität. Später, zu Jahresbeginn 2006, hielt Genazino dort die Frankfurter Poetikvorlesung.
Inzwischen war der Schriftsteller mit hohen Auszeichnungen wie dem Georg-Büchner-Preis (2004) bedacht worden. Schon 1996/97 hatte er als Stadtschreiber von Bergen amtiert. Auch sonst prägte und förderte er die Frankfurter Literaturszene, nicht zuletzt durch seine Lesungen zur Vorstellung seines jeweils neuesten Buchs, etwa in der Romanfabrik und im Literaturhaus. In der Stadt war Genazino eher im Vorübergehen präsent. Auf seinen stetigen Streifzügen durch die Frankfurter Straßen fand er seine Stoffe, sammelte er Eindrücke, fing er Stimmungen ein, entging ihm kein Detail – bis hin zu dem in diesem Zusammenhang vielzitierten achtlos weggeworfenen Kronkorken, hinter dem er eine Geschichte entdecken oder erfinden konnte.
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Schluss: 

An den vorigen Artikel des Monats knüpft eine weitere wichtige Neuerscheinung in dieser Lieferung an. Anna Beyer, die Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime, die im März vorgestellt wurde, arbeitete in einer Frankfurter Widerstandsgruppe des Internationalen Sozialistischen Kampfbunds (ISK) mit Ludwig Gehm zusammen, dessen Biographie diesmal neu herauskommt. Als überzeugter Antifaschist war Gehm an zahlreichen Aktionen im Frankfurter Widerstand ab 1933 beteiligt. Sein spektakulärster und zugleich gefährlichster Einsatz war eine Störaktion bei den Feierlichkeiten zur Eröffnung des ersten Streckenabschnitts der Reichsautobahn durch Hitler 1935. Gehm arbeitete auch in dem von Anna Beyer geführten vegetarischen Restaurant im Steinweg mit, das eigentlich der Finanzierung des Widerstands und als Anlaufstelle für den ISK diente. In dem Restaurant wurde der 31-Jährige Ende 1936 verhaftet. In der folgenden Gestapohaft blieb er in 77 Verhören, davon nur zwei ohne Prügel, standhaft und verriet keinen seiner Mitstreitenden. Nach Haft im Zuchthaus Fuhlsbüttel und im Konzentrationslager Buchenwald wurde Gehm 1943 zum Kriegseinsatz im Strafbataillon 999 eingezogen. In Griechenland lief er im September 1944 zur Griechischen Volksbefreiungsarmee über, in der er fortan auf der Seite der Partisanen gegen die deutschen Besatzer kämpfte. Aus englischer Kriegsgefangenschaft in Ägypten kehrte Gehm Anfang 1947 nach Frankfurt zurück. Er begann sofort, am Aufbau der Demokratie in Deutschland mitzuarbeiten, und organisierte als Jugendsekretär der SPD in Frankfurt deren Jugendarbeit neu. Lange konnte er nicht über seine Zeit im Konzentrationslager sprechen. Erst für einen 1982 gedrehten Fernsehfilm berichtete er von der Haft im KZ und den dort erlittenen Misshandlungen. Seitdem engagierte sich Gehm als Zeitzeuge in mehr als 300 Veranstaltungen, besonders mit Jugendlichen, für die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen.

Mit den Artikeln der aktuellen Monatslieferung und den derzeit knapp 2.600 weiteren verfügbaren Einträgen im Frankfurter Personenlexikon lässt sich die Zeit in diesem wirklich wechselhaften April vertreiben. Im Mai, das sei schon verraten, stehen wieder wichtige Gedenktage an, die auch von neuen Beiträgen im FP begleitet werden.

Einstweilen beste Grüße und Wünsche – und bleiben Sie gesund!
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons

P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Mai 2023.