Neuerscheinungen vom 10. September 2021

Einleitung: 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

die Nachwelt flicht der Mimin keine Kränze. Doch in der Theatergeschichtsschreibung findet die Schauspielerin ihren Platz. An einen Frankfurter Bühnenstar der 1920er Jahre erinnert der neue Artikel des Monats im Frankfurter Personenlexikon.

Artikel des Monats September 2021:
Die Frankfurter Garbo

Sie hatte in Frankfurt ihre Glanzzeit: Kundry Siewert. Die gebürtige Berlinerin, deren Mutter aus der Mainstadt stammte, verbrachte ihre Kindheit in Frankfurt und ihre Jugend in Königsberg. Dort kam sie über ihren Stiefvater, einen Opernsänger, zur Bühne. Nach einer Zwischenstation in Leipzig wurde die noch nicht 20-Jährige 1924 von Richard Weichert an das Frankfurter Schauspielhaus verpflichtet. Sie debütierte hier als Julia, wechselte jedoch bald ins Fach der munteren Liebhaberin und jugendlichen Salondame. Als „kapriziöses Talent“ wirkte sie künftig vor allem in Komödien, Schwänken und Singspielen mit, und auch in Mundartrollen der Frankfurter Lokalpossen, etwa als Lorchen in Stoltzes „Alt-Frankfurt“, eroberte sie die Herzen des Publikums.
Stadtbekannt war die junge Diva spätestens, seit sie bei der Probe zu der Wohltätigkeitsgala „Zirkus Wanebach“ 1927 in den Löwenkäfig gestiegen sein und vor den Augen von elf Berberlöwen mit einem ehrwürdigen Stadtrechtsrat Black Bottom getanzt haben soll. Nicht nur auf der Bühne setzte Kundry Siewert Akzente. Ein Rollenporträt zeigt sie ganz im Stil des damals aufstrebenden Hollywoodstars Greta Garbo: mit blondem Bubikopf und schickem Glockenhut – als modisches Vorbild für die Frankfurter und die übrige Damenwelt. Das von den Schwestern Nini und Carry Hess aufgenommene Foto erschien im November 1927 ganzseitig in dem Berliner Monatsmagazin „Uhu“. Auch im neuen Medium Radio, im Programm des Frankfurter Senders, war die Schauspielerin damals oft zu hören. Nach zehn Jahren im Ensemble der Städtischen Bühnen verabschiedete sich Kundry Siewert im Sommer 1934 fast unbemerkt von der Frankfurter Bühne. Sie folgte ihrem Mann, dem Autor und vormaligen Frankfurter Rundfunkmitarbeiter Franz Wallner-Basté, nach Berlin, wo sie jedoch nicht an ihre Frankfurter Erfolge anknüpfen konnte.
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Schluss: 

Wieder gibt es noch viele weitere interessante Neuheiten in diesem Monat. So setzen wir nach längerer Pause die Reihe der Frankfurter Kapellmeister des 17. Jahrhunderts fort, mit einem Artikel über den Kantor Lorenz Erhard, der von dem städtischen Musikdirektor Johann Andreas Herbst 1624 u. a. zur Leitung der Kirchenmusik an St. Katharinen nach Frankfurt berufen wurde.
Ein musikalisches Paar, das im ausgehenden 19. Jahrhundert in Frankfurt lebte und arbeitete, waren Marie Fillunger und Eugenie Schumann. Die Sängerin und die Pianistin wohnten eine Zeitlang zusammen im Hause von Eugenies Mutter, der berühmten Pianistin und Klavierpädagogin Clara Schumann, in der Myliusstraße 32 im Westend. Nach Auseinandersetzungen mit Eugenies Schwester verließ Marie Fillunger 1889 die Stadt und ging nach London, wohin Eugenie Schumann ihr drei Jahre später folgte, um für immer mit ihr zusammenzubleiben.
In der Reihe bedeutender Frankfurter Fotografen erscheint diesmal ein Artikel über Gottfried Vömel, einen Amateurfotografen, der über 40 Jahre lang, etwa von 1900 bis zum Zweiten Weltkrieg, das Stadtbild systematisch dokumentierte. Aber auch viele städtische Ereignisse – von der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung 1909 bis zur Eröffnung der Römerbergfestspiele 1932 – hielt er im Bild fest. Sein umfangreiches Plattenarchiv befindet sich seit 1975 im Besitz des Stadtarchivs, des heutigen Instituts für Stadtgeschichte.
In den vergangenen Jahren haben viele Spitzensportvereine begonnen, ihre Geschichte in der NS-Zeit aufzuarbeiten, so auch die Sportgemeinde Eintracht, seit 1928 der größte Fußballverein der Stadt. Kürzlich erschien eine Untersuchung des Fritz Bauer Instituts über die Laufbahn von vier Funktionären der Eintracht im Nationalsozialismus. Maximilian Aigner, der Verfasser dieser Studie, stellt zwei der Biographien nun auch im Frankfurter Personenlexikon vor: Egon Graf von Beroldingen verantwortete als Erster Vorsitzender von Eintracht Frankfurt 1933 die schnelle „Selbstgleichschaltung“ des Vereins unter Anpassung an das nationalsozialistische System, und Rudolf Gramlich, erfolgreicher Fußballspieler der Eintracht, begann mit dem Eintritt in die SS 1937 und dem Abschluss seiner aktiven Zeit 1938 eine Karriere als Sportfunktionär bei dem Verein. Infolge der kritischen Auseinandersetzung mit seiner Laufbahn in der genannten Studie erkannte Eintracht Frankfurt im Januar 2020 Rudolf Gramlich posthum den Titel des Ehrenpräsidenten ab.
Eine Frankfurter Biographie der jüngsten Vergangenheit erzählt der Artikel über den Kurator Christoph Vitali, der als Geschäftsführer der Kulturgesellschaft Frankfurt in den 1980er Jahren u. a. das Theater am Turm (TAT), die Kunsthalle Schirn und das Kulturzentrum Mousonturm leitete. Als Gründungsdirektor der 1986 eröffneten Kunsthalle Schirn gelang es ihm innerhalb kürzester Zeit, das neue Ausstellungshaus für moderne Kunst mit einem hervorragenden Programm zu etablieren und international zu positionieren.

Schließlich sei noch ein Hinweis auf einen wichtigen unter den vielen Gedenktagen in diesem Jahr erlaubt. Am 16. September 2021 wäre der Literaturkritiker, Verlagslektor und Übersetzer Walter Boehlich 100 Jahre alt geworden. Der Artikel über ihn, einen der bedeutendsten kritischen Intellektuellen der Bundesrepublik seit den Fünfzigerjahren, ist bereits vor einigen Monaten und somit rechtzeitig zu dem jetzigen Jubiläum im Frankfurter Personenlexikon erschienen.

Dem Auftrag, nicht nur aus aktuellem Anlass geprüfte und fundierte Informationen zur Verfügung zu stellen, ist das Frankfurter Personenlexikon verpflichtet. Alle Artikel über Frankfurter Biographien, die Sie hier finden, sind auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitet – was nicht heißt, dass sie „trocken“ und langweilig daherkommen. Die Beiträge lassen sich gut und oft sogar unterhaltsam lesen, und es würde mich freuen, wenn Sie auch in diesem Monat wieder eine spannende und gewinnbringende Zeit mit der Lektüre im Frankfurter Personenlexikon verbringen könnten.

Einen guten Start in den Herbst wünscht
Sabine Hock
Chefredakteurin des Frankfurter Personenlexikons

P. S. Die nächste Artikellieferung erscheint am 10. Oktober 2021.